Die Rolle des Stresshormons Cortisol
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Dass darin mehr als nur ein Körnchen Wahrheit liegt, ist in der Medizin mittlerweile eine anerkannte Tatsache: Psychische Leiden und Herzkrankheiten bedingen sich oft gegenseitig. Auf welchen Mechanismen dieser Zusammenhang beruht, zeigt eine aktuelle Studie: Das Stresshormon Cortisol könnte dafür verantwortlich sein, dass Depressionen mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheiten einhergehen und diese Erkrankungen bei depressiven Menschen zudem häufiger tödlich verlaufen. PD Dr. med. Christiane Waller wird für ihre Studie hierzu auf dem Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit dem Roemer Preis des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin ausgezeichnet. Über die neuen Erkenntnisse berichtete sie auf der Kongress-Pressekonferenz am 17. März in Potsdam.
„Wir wissen heute, dass psychosoziale Belastungsfaktoren das Risiko für eine koronare Herzkrankheit ähnlich stark erhöhen wie etwa das Rauchen oder Störungen im Fettstoffwechsel“, sagt Waller, die sich als Leitende Oberärztin an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsklinik Ulm mit dem Thema befasst. „Im Vergleich zu den klassischen Risikofaktoren ist der Einfluss psychosozialer Faktoren lange Zeit unterschätzt worden. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Depressionen, beruflicher und privater Stress oder auch der kürzlich zurückliegende Verlust eines geliebten Menschen für etwa jeden dritten Herzinfarkt verantwortlich sind.“
Vor allem Depressionen, die aufgrund von chronischem Stress auftreten können, erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Und auch Patienten, die bereits an einer koronaren Herzerkrankung (KHK) leiden und eine Depression entwickeln, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, früher zu versterben als nicht-depressive Menschen mit Herzleiden. Welche Mechanismen diesem Zusammenhang zugrunde liegen, war bislang ungeklärt.
„Depressionen gehen mit einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol einher“, erklärt Waller. „Ein Zuviel des eigentlich schützenden Cortisols führt langfristig allerdings zu einer vermehrten Fettablagerung in den Gefäßen und zur Arterienverkalkung. Damit steigt für Betroffene, also für depressive Patienten, das Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln.“
Die aktuelle Studie zeigt: Bei Vorliegen einer KHK verkehrt sich die Cortisolausschüttung - sie nimmt ab. „Warum dies so ist, ist bislang noch nicht geklärt“, so Waller. Die Folge ist jedoch, dass durch eine verminderte Cortisolausschüttung wiederum entzündliche Prozesse begünstigt werden, die zu einer Verschlechterung der Herzerkrankung beitragen und das Risiko für akute Gefäßverschlüsse und Herzinfarkte erhöhen.
In weiteren Studien soll nun geklärt werden, ob eine medikamentöse Behandlung zur Normalisierung des Cortisolspiegels eine koronare Herzerkrankung günstig beeinflussen kann.
Erkenntnisse aus der Psychokardiologie finden bereits heute Eingang in die Therapie der KHK. "Patienten sollten in der Anamnese immer auch zu aktuellen oder zurückliegenden psychischen Problemen befragt und gegebenenfalls psychosomatisch behandelt werden", sagt Christiane Waller. Im Idealfall arbeiten Hausarzt und Kardiologe bei der Betreuung ihrer Patienten eng mit einem Psychosomatiker zusammen - da nur eine interdisziplinäre Versorgung dem komplexen Wechselspiel zwischen Herz und Psyche gerecht wird.
Literatur: Waller et al., Blunted Cortisol Stress Response and Depression-induced Hypocortisolism is related to Inflammation in Patients with Coronary Artery Disease, JACC Vol 67 No. 9, Mar 2016
Quellen:
- Pressestelle Psychosomatik-Kongress, 18.03.2016